Venedig hat schon immer den Ruf des am wenigsten kommerziellen Filmfestivals der Welt genossen. Im Gegensatz zu Cannes und Berlin gibt es hier keinen Filmmarket. Hollywood schätzt dieses Festival sehr und betrachtet es als “Fenster” zur Awards-Saison, da viele Filme, die Oscars gewinnen, hier zum ersten Mal Premiere haben. Die aktuelle Jubiläumsausgabe des Filmfestivals wurde aufgrund von Streiks in der amerikanischen Filmindustrie mit Schwierigkeiten konfrontiert. Im Mai, kurz vor Eröffnung des Cannes Filmfestivals, rief die Writers Guild of America (WGA) in Los Angeles die Drehbuchautoren zu Massenprotesten auf. Mitte Juli schlossen sich ihnen Schauspieler an.
Bis jetzt haben die Festivalorganisatoren lediglich eine Programmänderung vornehmen müssen. Sie ersetzten das sportliche Drama über Tennisprofis “The Challengers” von Luca Guadagnino, mit Zendaya und Josh O’Connor in den Hauptrollen, durch den italienischen Film “Il Comandante” von Edoardo De Angelis. Dieser Film wird nun das Festival am 30. August feierlich eröffnen. Somit sind vorerst die last-minute Änderungen abgeschlossen.
Cineastische Giganten konkurrieren im Hauptwettbewerb
In diesem Jahr präsentiert die Mostra Cinema in Venedig eine Auswahl lang erwarteter Projekte. Ein Enfant Terrible der Filmwelt, Luc Besson, kehrt mit seinem Actionfilm “Dogman” zu seinen Wurzeln in der Independent-Szene zurück.David Fincher zeigt den Krimi-Thriller für Netflix mit dem Titel “Killer”, produziert von Brad Pitt. Der Film basiert auf einem gleichnamigen französischen Graphic Novel, in dem der Hauptheld gespielt von Michael Fassbender einen Auftragsmörder darstellt.
Auch im Wettbewerb werden gleich drei biografische Filme gezeigt. Sofia Coppola bringt einen Film über Priscilla Presley. Damit setzt sie das Thema des letztjährigen Films “Elvis” von Baz Luhrmann fort. Das Projekt basiert auf den Memoiren von Elvis‘ Frau Priscilla „Elvis and Me“ (1985). Jacob Elordi übernimmt die Rolle des Sängers, während Cailee Spaeny seine Frau darstellt. “Ferrari” von Michael Mann, in dem Adam Driver Enzo Ferrari und Penelope Cruz seine Frau Laura verkörpern, erzählt die Geschichte des legendären Rennfahrers und Konstrukteurs. Bradley Coopers zweite Regiearbeit mit dem Titel “Maestro” erzählt die Geschichte des berühmten amerikanischen Dirigenten Leonard Bernstein. Darin spielt Cooper auch die Hauptrolle, während die britische Schauspielerin Carey Mulligan die Fernsehschauspielerin und seine Ehefrau Felicia Montealegre verkörpert. Der Film wurde von Martin Scorsese und Steven Spielberg produziert.
Unter weiteren Teilnehmern befindet sich der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos mit dem Film “Poor Things”, basierend auf dem postmodernen Roman des schottischen Autors Alasdair Gray, mit Emma Stone, Mark Ruffalo und Willem Dafoe in den Hauptrollen. Der italienische Regisseur Saverio Costanzo erkundet das goldene Zeitalter des römischen Filmstudios Cinecittà der 1950er-Jahre in seinem Film “Finalmente L‘Alba” mit der Debütantin Rebecca Antonacci sowie einer internationalenBesetzung, darunter Lily James und wieder Willem Dafoe.
Im Film “Memory” vom Mexikaner Michel Franco versucht ein verliebtes Paar (Jessica Chastain und Peter Sarsgaard), Beziehungen aufzubauen sowie mit Demenz umzugehen. Der norwegische Regisseur Nikolaj Arcel präsentiert seinen historischen Epos “Bastarden”, in dem Mads Mikkelsen einen Monarchen verkörpert. Der Thriller “La Bete” des französischen Regisseurs Bertrand Bonello basiert auf der Novelle “The Beast in the Jungle” von Henry James und die Hauptrollen wurden mit Lea Seydoux und George MacKay besetzt. Der chilenische Regisseur Pablo Larraín, bekannt für seine Untersuchungen der Ära von Augusto Pinochet in Filmen wie “Tony Manero” (2008), “Post Mortem” (2010) und “No” (2012), wird nun Pinochet als 250 Jahre alten Vampir im Film “El Conde” darstellen.
Diskussionen außerhalb des Wettbewerbs
Das Filmprogramm außerhalb des Wettbewerbs ist nicht nur aufregend, sondern auch ziemlich provokativ. So wurden Filme von zwei Regisseuren – Woody Allen und Roman Polanski – ins Programm aufgenommen, deren Namen mit sexuellen Skandalen in Verbindung gebracht werden. Gerade in Venedig fand 2019 die Premiere von Roman Polanskis letztem Film “An Officer and a Spy” statt. Die Entscheidung des künstlerischen Leiters des Festivals, Alberto Barbera, löste damals heftige Diskussionen aus, die mit den Anschuldigungen gegen den Regisseur wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen im Jahr 1978 verbunden waren und neuen Fällen sexueller Belästigungen aus den Jahren 2017-2019 standen.
Trotz der Abwesenheit von Polanski bei der damaligen Premiere wurde sein Film in Venedig positiv aufgenommen und verstärkte die Debatte über die Trennung von Künstlerischem Schaffen und persönlichem Verhalten. Jetzt wird Roman Polanski, der am 18. August seinen 90. Geburtstag feiert, sein neues filmisches Werk “The Palace”zeigen. Die Handlung des Films spielt in einem luxuriösen Schweizer Hotel am Vorabend des Jahres 2000. Millionäre treffen sich, um das neue Jahrtausend zu begrüßen, aber verschiedene Leidenschaften und Laster überwältigen sie und führen schließlich zu einer unerwarteten Wendung der Feierlichkeiten.
Der fünfzigste Jubiläumsfilm des 87-jährigen Woody Allen trägt den Titel “Coeur de Chance” und erzählt von zwei Pariser Freunden, die beschließen, ihre romantische Beziehung wieder aufzunehmen, was leider zu Betrug und sogar Mord führt. Ob dieser Film das letzte Werk in der Karriere des Regisseurs sein wird, ist noch nicht bestätigt. Es kursieren Gerüchte, dass Allen vorhat, sich dem Schreiben von Büchern zu widmen.
Wes Anderson wird seinen zweiten Film in diesem Jahr vorstellen, eine 40-minütige Erzählung basierend auf Roald Dahls gleichnamiger Geschichte “The Wonderful Story of Henry Sugar”. In den Hauptrollen sind Ralph Fiennes, Dev Patel, Ben Kingsley und Benedict Cumberbatch zu sehen. Der Film wird auf Netflix veröffentlicht.
Das Filmfestival von Venedig wird am 30. August eröffnet. Die Jury des diesjährigen Filmfestivals in Venedig unter der Leitung des französisch-amerikanischen Regisseurs Damien Chazelle (“La La Land”) wird die Gewinner am 9. September bekannt geben.
