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Er sucht nach seiner ersten Liebe und wenn er sie endlich findet, zögert er, sich mit ihr zu treffen. Sie hingegen, obwohl sie Gefühle für ihn hat, beendet ihre Beziehung. In ihrem Debütfilm “Past Lives” wird die koreanisch-kanadische Schriftstellerin Celine Song keine eindeutigen Antworten auf zahlreiche Fragen liefern. Und das ist nachvollziehbar, da jeder von uns seine eigenen Interpretationen haben wird.

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Greta Lee als Nora und Teo Yoo als Hae-sund in “Past Lives”, Foto: Berlinale

Ich denke, er sucht sie, weil ihre Abreise in ihm viele unbeantwortete Fragen hinterlassen hat. Als er sie findet, zögert er sich, weil Männer ihre Gefühle in der Regel sehr langsam entwickeln. Frauen hingegen wissen oft sehr schnell, was sie wollen, und treffen daher die meisten Entscheidungen. Und diese Frau will wohl eher ihren Traum, Schriftstellerin in New York zu werden, nachgehen, als mit ihrer ersten Liebe zusammen zu sein. Möglicherweise liegen aber die meisten Antworten in der mysteriösen Philosophie von “In-yun” (koreanisch “인연”), die besagt, dass jede Begegnung zweier Seelen das Ergebnis unzähliger Interaktionen in ihren früheren Leben ist. Diese subtile Verbindung, die verschiedene Schicksale vereint, hängt nicht von Zeit und Raum ab. Übrigens, die deutsche Übersetzung des englischen Filmtitel “Past Lives” als “Im anderen Leben” erscheint etwas ungeschickt, da sie eine völlig andere Interpretation vermittelt als „In den vergangenen Leben“.

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Na-young und Hae-sung als Kinder in Seoul, Foto: Berlinale

Die Geschichte dieser beiden beginnt in Seoul. Vor uns liegt die erste Szene des Films, in der die zwölfjährige Na-young nach Hause zurückkehrt, begleitet von ihrem Schulfreund Hae-sung. Sie weint, weil sie nicht die Zweitplatzierte in der Klasse sein möchte und das erste Mal ihrem besten Freund den Vorrang lässt. Zumindest behauptet sie das. Später wird klar, dass sie wegen etwas anderem so leidet: Ihre Familie hat beschlossen, auszuwandern, und das Mädchen möchte nicht Hae-sung verlassen. Allerdings, wie es häufig in asiatischen Filmen vorkommt, suchen die Hauptfiguren keine offenen Gespräche miteinander, sondern verharren im Schweigen. Der Tag der Abreise rückt näher, und Na-young gesteht ihrer Mutter ihre Liebe zu Hae-sung sowie ihre Hoffnung, eines Tages seine Frau zu werden. Die Mutter versteht die Unmöglichkeit des Wunsches ihrer Tochter und schlägt vor, dass sie, um gute Erinnerungen zu bewahren, mit ihm auf ein letztes Date gehen soll, das schließlichunter wachsamen Augen beider Mütter stattfindet.

Und so, zwölf Jahre später, sucht der erwachsene Hae-sung, der immer noch in Seoul lebt, nach seiner ersten Liebe und unternimmt einen verzweifelten Versuch, über soziale Medien eine Videobotschaft zu senden, in der Hoffnung, dass Na-young, die nun Nora heißt, es bemerken wird. Die junge Frau antwortet ihm aus New York. Alles geschieht wie durch Zauberhand, sie sind wieder in Kontakt, aber nur um nach einiger Zeit eine Pause von weiteren zwölf Jahren einzulegen.

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Beide Protagonisten treffen sich in New York, Foto: Berlinale

Der Film wurde zuerst beim Sundance Film Festival gezeigt und später im Wettbewerb der Berlinale, wo er den Publikumspreis gewann. Was hat das Publikum an diesem Film geschätzt?

Wahrscheinlich die rätselhafte Philosophie von “In-yun”. Es ist etwas wie Schicksal oder Vorherbestimmung, die eng mit dem buddhistischen Konzept der Reinkarnation verbunden ist, obwohl die Koreaner katholisch sind und der Buddhismus nicht ihre dominante Religion ist. So bleibt “In-yun” zwischen Na-young und Hae-sung in diesem Leben unerfüllt, und diese Philosophie sowie ihre filmischen Interpretationen verleihen dem Kinoerlebnis eine gewisse Tiefe. 

Der Film greift größtenteils die Handlung aus dem Leben der Autorin auf. Dagegen erscheinen die Aufnahmetechnik sowie die kinematografische Ästhetik recht unspektakulär und langweilig. Es gibt viele ungeschickte Perspektiven und Mittelpläne, viele Pausen, die in literarischen Werken interessant sein mögen, aber im Filmraum verbrauchen sie zu viel Zeit ohne Wirkung. Die finale Szene sollte vermutlich so realitätsnah wie möglich sein, doch sie erscheint ziemlich abrupt. Insbesondere deshalb, weil Filme keine exakte Realität widerspiegeln, zieht es uns ins Kino, um ästhetische Genüsse zu erleben oder uns in eine konventionelle Geschichte hineinziehen zu lassen, die unserem Alltag fehlt und ihm mehr Abwechslung verleiht. 

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