Wenn man über Südindien spricht, denkt man oft an den Staat Kerala mit seinen teils unentdeckten Stränden mit schönen Lagunen oder Seen im Hinterland. Doch wenn man die hohen, grünen Berge östlich von Kerala überquert, findet man eine andere Perle Indiens: Tamil Nadu mit der schönen Stadt Puducherry (französisch Pondicherry).

Ein bequemer Weg nach Pondicherry führt über die Hauptstad von Tamil Nadu, Chennai (ehemals Madras). Die Stadt wird oft als Transitort für die Weiterfahrt benutzt. Zum Unrecht! Es empfiehlt sich, dort eine oder zwei Nächte zu verbringen, um die koloniale Architektur der Briten, Portugiesen und Holländer sowie die historischen Hindu-Tempel zu besichtigen. In Chennai gibt es einen der längsten Strände der Welt, den Marina Beach (13 Kilometer lang).

Marina Beach in Chennai © tr

Zum Baden ist der Ort nicht geeignet, auch nicht für nächtliche Spaziergänge, aber bei Tag ist es schön zu beobachten, wie die Fischer ihre Netze auswerfen und Händler laut ihre Waren anbieten und die Einheimischen picknicken.

Die hübschen katholischen Kirchen und Kathedralen in Chennai zeugen noch heute von der kolonialen Geschichte der Stadt. St. Thomas ist ein anschauliches Beispiel dafür. Als einer der zwölf Apostel bekehrte er hier im Jahr 52 die Gläubigen, bis er von einem Feind auf einem Berg mit einem Speer durchbohrt wurde. Später wurde der Berg St. Thomas genannt, und auf dem Grab des Heiligen entstand die Kirche im prächtigen neogotischen Stil, wo viele berühmte Leute wie Marco Polo im Gebet knieten. Heute dient St. Thomas als Zentrum der Pilgerfahrt der indischen Christen und gilt als nationales Heiligtum. Die Kirche St. Mary in Chennai gilt als erste anglikanische Kirche Indiens und die Kirche St. Andrew ist nach dem Vorbild der Kirche St. Martin-in-the-Fields auf dem Trafalgar Square in London gebaut. Schließlich gibt es eine Kirche aus dem 12. Jahrhundert. Der Legende nach haben portugiesische Seeleute ein wunderbares Licht (Luz heißt auf Portugiesisch Licht) während eines Sturms gesehen, das sie ans Ufer führte und so bauten sie hier die St. Luz-Kirche.

Unter den säkularen Kolonialbauten sind vor allem die weiße Festung St. George, heute das Parlament, das Regierungsgebäude von Tamil Nadu, sowie der Oberste Gerichtshof der Stadt berühmt. Letzterer wurde im schicken Indo-sarazenischen Stil, einer Mischung aus Elementen der traditionellen indischen und britischen Architektur gebaut und gehört zum zweitgrößten Gerichtskomplex der Welt. Das Chennai Museum besitzt eine hervorragende Sammlung von Bronzestatuen aus dem späten achten Jahrhundert und die größte Sammlung römischer Antiquitäten außerhalb Europas.

Kapaleeswarar (Fragment) in Chennai © tr

In Chennai gibt es natürlich auch traditionelle hinduistische Tempel. Kapaleeswarar ist ein schönes Beispiel für die drawidische Tempelarchitektur, die im siebten Jahrhundert in Tamil Nadu entwickelt wurde und besteht aus einem pyramidenförmigen Tempel mit Cella (Hauptzelle), die von Türmen (Vimana) umgeben ist. Kapaleeswarar ist dem Gott Shiva gewidmet. Der Altar von Shiva solle über eintausend Jahre alt sein.

Am lebendigsten ist die Stadt zwischen Mitte Dezember und Mitte Januar, wenn hier das Margazhi Festival für Tanz und Musik stattfindet, das seit den späten 1920erj Jahren besteht und zu  den größten und bedeutendsten des Landes gehört, insbesondere in Bezug auf die alte karnatische Kunst und Kultur der Region.

Wenn man schon bis nach Chennai gekommen ist, sollte man sich einen Aufenthalt im Hotel ITC Grand Chola (https://www.itchotels.in/hotels/chennai/itcgrandchola.html) gönnen, eines der drei größten Luxushotels der Welt.

The Grand Presidential Suite in ITC Grand Chola © tr

Der Name “Chola” wurde im Andenken an die herrschende Dynastie gegeben, welche die berühmtesten Tempel der Region errichtete. Das architektonische Ensemble des Hotels umfasst einige Elemente dieses Stils, zum Beispiel gibt es in der großen Lobby eine Marmortreppe mit einem Chola-Wagen, wo jeden Abend eine Tanzzeremonie stattfindet. Das Hotel ist wie eine Stadt in sich und hat alles, was man sich nur wünschen kann: Elf Restaurants und Cafés, Schönheitssalons, Souvenirläden, Designerboutiquen, Schwimmbäder und Fitnessstudios. Man kann königlich im vegetarischen Restaurant „Royal Vega“ speisen, wo die Küche sowie die Einrichtung die Zeiten der Chola-Dynastie reproduzieren. Auf Wunsch kann das Essen auch im Liegen eingenommen werden. Wer es einfacher und Fleisch mag, für den gibt es Restaurants mit westlichen Gerichten, beispielsweise „Ottimo Cucina“, das, wie der Name verrät,  italienische Küche anbietet. Das beste südindische Frühstück wird im „Madras Pavillon“ serviert. Man sagt, dass das südindische Frühstück sehr gesund sei und alle nützlichen Getreide und Nährstoffe enthält, um den Tag gut zu beginnen.

Restaurant Royal Vega © tr
Frühstück in Madras Pavilion © tr

Mahabalipuram

Wenn Sie sich an Luxus gewöhnt haben, können Sie noch ein paar Tage in Chennai bleiben und von hier aus Ausflüge zu den nahegelegenen Shiva-Tempeln machen. Wenn Sie aber bereit sind, mit weniger Komfort in einem herkömmlichen Fünf-Sterne-Hotel zu übernachten, machen Sie sich weiter auf den Weg und bleiben lieber eine Nacht in Mahabalipuram. Die berühmten Ruinen von Mahabalipuram gehören zur Pallavas-Dynastie aus dem siebten und achten Jahrhundert. Ihre Mitglieder wollten eine Tempelstadt südlich von Madras errichten. Mehrere Steinmetzgenerationen haben zwei Jahrhundert lang hier gearbeitet, um aus dem rohen Granit zierliche und dekorative Tempel zu formen. Es wird angenommen, dass die Geschichte die Steinarchitektur Indiens hier begann. Heute ist Mahabalipuram ein Wallfahrtsort für Menschen aus aller Welt und ist seit Mitte der 1980er Jahreahren von der UNESCO geschützt.

Der Komplex von Mahabalipuram umfasst einen Küstentempel, den Tempel der Fünf Rathas und den Komplex von 14 Höhlentempeln mit dem großen Relief „Herabkunft der Ganga“. Das Relief soll der hinduistischen Vorstellung vom Paradies auf Erden entsprechen. Menschen und Tiere, Götter und Heilige sind hier in Liebe und Achtung voreinander am Ufer des heiligen Ganges vereint. Der Küstentempel wurde Ende des achten Jahrhunderts erbaut und gehört zu den ältesten freistehenden Steintempeln in Südindien. Auch dieses Gebäude ist im Dravida-Stil erbaut worden und wurde mit seinem geweihten Schrein mit einem Lingam dem Gott Shiva gewidmet. Dem Kult des Gottes Vishnu wird hier durch Darstellung von Narayana auf der mythischen Schlange Ananta gehuldigt. Auf Befehl von Indira Gandhi wurden hier noch rechtzeitig  Wellenbrecher aus Felsbrocken errichtet, die den Tempel letztlich vor dem Tsunami im Jahre 2004 schützte. Die Fünf Rathas (ratha: Prozessionswagen) sind monolithische, aus einzelnen Felsen gehauene,  Tempel und mehrere freistehende Tier-Skulpturen.

Zum Übernachten eignet sich bestens das neu erbaute „Welcome Hotel Kences Palm Beach“. Insbesondere auf seinen „See-Villen“ kann man abends dem Golf von Bengalen lauschen und sich morgens auf der Terrasse sonnen. Die fast meditative Stille wird manchmal von riesigen Libellen unterbrochen. Das Cafe Riva serviert leckere indische oder internationale Gerichte, die nach Wunsch mehr oder wenig scharf zubereitet werden. Der Chefkoch kommt öfter aus der Küche, um Gäste persönlich zu begrüßen oder sich nach ihren Vorlieben zu erkundigen. Trotz der luxuriösen Kategorie des Hotels kostet ein Mittagessen etwa 10-15 EUR pro Person.

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