„Gefühlt Mitte Zwanzig“ heißt der neue Film des US-Regisseuren Noah Baumbach, in dem er den aktuellen Trend anspricht, warum in der heutigen Gesellschaft das Erwachsenwerden nur eine Option unter vielen ist.

Der Filmtitel verrät das Thema. Es geht um „Erwachsene“, die nicht reifen wollen. Und tatsächlich fängt die Geschichte mit der Beschreibung des Lebens eines Pärchens an. Josh und Cornelia sind Anfang 40, leben im New Yorker Stadtteil Brooklyn ohne Sex, Kinder und großartige Verpflichtungen. Josh arbeitet seit zehn Jahren an einem Dokumentarfilm, den er weder finanzieren noch fertigstellen kann. Cornelia hilft seinem Vater mit Filmproduktionen aus. Ihre Freunde kriegen bereits graues Haar und Kinder mit Hilfe von in-Vitro und führen ein Leben entsprechend ihres Alters, das aus düsteren Abenden zuhause, dem Besuch gleichaltriger Freund und Baby-Kursen besteht. Doch Josh und Cornelia haben andere Pläne. Sie lernen ein zwanzig Jahre jüngeres Paar – Jamie und Darby – kennen und „verjüngen“ sich plötzlich selbst – inklusive Wechsel ihres Kleidungsstils bis hin zum Hip Hop tanzen und dem Besuch spiritueller Seminare bei peruanischen Schamanen.

Doch nach etwa einer Stunde nimmt diese Geschichte eine andere Wendung. Es wird gezeigt, warum Jamie und Darby sich für ältere Leute interessieren, abgesehen von der Übernahme der Restaurantrechnungen. Und plötzlich wird der Film zum Thriller, endet aber doch noch mit einem Happyend. Alle kriegen, was sie wollen: Jamie den Erfolg, Josh und Cornelia Kinder. Wie man dies von in einer Komödie erwartet.

© SquareOne/Universum

Der Film hat aber bei mir einen vage chaotischen Eindruck hinterlassen, auch wenn die englischsprachige Presse begeistert war. Warum wollte ich ihn sehen? Bestimmt nicht wegen der zahlreich engagierten Stars: dem Komödienmeister Ben Stiller (als Josh), der nun an der Fortsetzung von „Zoolander“ arbeitet oder der bezaubernden Amanda Seyfried (als Darby), die mit ihrem Singtalent in „Mamma Mia“ überzeugt. Auch nicht wegen Naomi Watts (als Cornelia), die nach einer Ruhephase wieder groß rauszukommen verspricht, wenn man an ihrer jüngsten Rollen denkt, in „Birdman“ von Alejandro González Iñárritu und bald in „Sea of Trees“ von Gus Van Sant. Ich bin ins Kino gegangen, weil ich eine – wenn auch subjektive – Antwort auf den aktuellsten Gesellschaftstrend bekommen wollte, der bereits von Iñárritu in „Birdman“ intelligent formuliert wurde: „Is sixty the new thirty?“ Oder im Bezug auf „Gefühlt Mitte Zwanzig“: Wie nehmen wir unsere Alter heute wahr?

Was will Baumbach zeigen? Einen Thriller über einen Möchtegerne-Filmemacher, der seinen älteren Kollegen austrickst oder dass Hip-Hop-Tanz im Alter bizarr aussieht? Sieht etwa ein ergrauter Vater mit seinem Baby im Tuch nicht bizarr aus? Oder eine alternde Frau, die eigenartige Baby-Kurse besucht? Vielleicht versucht Baumbach seine eigene Biographie zu verarbeiten. Er ist 45 Jahre alt, lebt mit einer 14 Jahre jüngeren Partnerin wie auch seine Protagonisten in Brooklyn. Sogar der Ort, an dem er die Schule besuchte – Poughkeepsie – ist auch im Film erwähnt: Jamie will einen Film über einen Vietnamveteranen drehen, der in dieser Gegend wohnt. „Woody Allen einer neuen Generation“ kann man den Regisseur in meiner Sicht nur sehr bedingt nennen, allein wegen der Tatsache, dass Allen mit seinen 79 Jahren immer noch einen Film pro Jahr dreht, während Baumbach wie übrigens auch sein Protagonist Josh innerhalb seine zwanzigjährigen Karriere nur wenige schaffte.

© SquareOne/Universum

Ich verlasse das Kino mit einem zweispaltigen Gefühl. Ich suchte eine Antwort auf die Frage, warum wir heute nicht reif werden wollen und bekomme die Antwort, dass das Alter nicht so einfach zurückgedreht werden kann. Ein Gedanke kreist in meinem Kopf: „Was machen wir nun mit den zahlreichen Singles, die es mit Anfang oder Mitte 40 immer noch nicht geschafft haben, einen passenden Partner zu finden, Karriere zu machen, ein Kind in die Welt zu setzen?“ Sie leben, fühlen, suchen, hoffen und sollen „es“ am Ende doch nicht schaffen? Hat man das Recht, diese Menschen „Looser“ zu nennen? Gab es nicht sogar schon vor 30-50 Jahren tolle Beispiele einer Karriere, die erst mit 70 richtig anfing? Ich denke z.B. an die Künstlerin Louise Bourgeois. Oder kriegen heute etwa Frauen auch mit Ende 40 nicht ihre Kinder, sogar ohne In-vitro-Hilfe? Sicher hat Baumbach versucht, dem Lebensgefühl einer Generation nachzugehen, für die das Erwachsenwerden nur eine Option unter vielen ist und die sich zwischen unendlichen Möglichkeiten des heutigen Lebens nicht entscheiden können.

Kann er das selbst? In seiner etwas verwirrenden Produktion, angesiedelt zwischen Komödie, Sozialdrama und Thriller gibt er keine klaren Antworten.

Starttermin: 16. Juli 2015, USA, 97 Min.
Regie: Noah Baumbach, Mit Ben Stiller, Naomi Watts, Amanda Seyfried

×