Der neue Film von François Ozon wird nun im Hauptprogramm der Filmfestspiele in Venedig annonciert und kommt am 29. September in die deutschen Kinos. Unabhängig davon, wie der Wettbewerb für den Film verläuft, ist der neue Film des französischen Maestro eine sehenswerte und überraschend aktuelle Geschichte über den Krieg und Frieden sowie seine Folgen für liebende und fühlende Menschen.

Vom Franzosen Ozon wird man wohl nicht erwarten, dass er einen Film über die Kriegsthematik in Schwarzweiß und auf Deutsch dreht. Doch etwas gibt es in „Frantz“, das vom alten Stil des französischen Regisseurs zeugt: Sein Interesse an einer Liebesbeziehung.

Der Film fängt mit einer Szene aus dem Nachkriegsalltag einer kleinen deutschen Stadt an. Eine junge Frau – hübsch, elegant, intelligent – trägt Blumen zum Friedhof, zum Grab ihres gestorbenen Verlobten Frantz, wie wir später erfahren. Selbst von ihren Eltern verlassen, bleibt sie in der Familie von Frantz, seinen Eltern Herr und Frau Hoffmeister, die sie wie eine Tochter lieben. Alle drei verbringen nun ihre Tage in tiefster Trauer um den Verlust des Sohns und Verlobten. Herr Hoffmeister, ein in der Stadt angesehener Arzt, will nicht mehr zu üblichen Versammlungen gehen, wo die nationalistische Stimmung seiner Mitbürger herrscht, die nach dem für die Deutschen demütigenden Friedensvertrag von Versailles auf Rache sinnen. Frau Hoffmeister findet in Anna einen vorläufigen Ersatz für ihren Sohn. Dem Mädchen selbst bleiben bloß seine Friedhofsbesuche und die Beichte in der Dorfkirche.

@X Filme Creative Pool
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Eines Tages trifft sie einen jungen Mann am Grab von Frantz, einen Franzosen, also einen Feind, der sich getraut hat, nach Deutschland zu kommen und nun geheimnisvoll am Grab von Frantz sitzt. Obwohl Herr Hoffmeister in jedem Franzosen einen Mörder seines Sohns sieht, nehmen die beiden Frauen Anna und Frau Hoffmeister den jungen Adrian unter ihre Fittiche und bald schon ist dieser  zum „Ersatz“ für von Frantz geworden und kommt sogar für Anna als Bräutigam in Frage. Ein solcher Ausgang wäre doch viel zu melodramatisch für den französischen Maestro, oder?

Obwohl Ozons Werk in dem  Zeitraum nach dem Ersten Weltkrieg spielt, ist das Thema der deutsch-französischen Beziehungen erstaunlich aktuell, wäre da nicht die Schwarzweißqualität der digitalen Aufnahmen. Diese erinnern uns doch noch daran, dass die Geschichte im letzten Jahrhundert stattfindet. Interessant ist aber auch der Vergleich, wie ein und derselbe Krieg in zwei benachbarten Ländern wahrgenommen wird, wie sich das Leiden auf beiden Seiten verbreitet. Vielleicht lässt der Film sogar uns Zeitgenossen über die heutigen Ereignisse nachdenken, über die Folgen, die alle Kriege mit sich bringen. Und dann wundert man sich nicht mehr, dass der Film mit dem Gemälde „Selbstmörder“ von Edouard Manet endet, welches für keine depressive Weltanschauung steht, sondern umgekehrt für Lebenswillen.

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Der Regisseur gibt zu, manche Szenen aus Ernst Lubitschs Film „Broken Lullaby“ (1931) übernommen zu haben, der ebenfalls das Theaterstück von Maurice Rostand adaptierte. Während Lubitsch den Film aus dem Blickwinkel der Franzosen zeigt, interessiert sich Ozon für die Gefühle der jungen Frau, ihre ersten Liebeserfahrungen und Enttäuschungen. Bei Lubitsch erfährt der Zuschauer die Geheimnisse seiner Protagonisten gleich am Anfang, während Ozon – ein Schüler und Verehrer von Eric Rohmer – die Lüge kultiviert und darauf seine Handlung aufbaut.

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass „Frantz“ mit keiner einzigen Szene langweilt. Die beiden jungen Hauptdarsteller – der Franzose Pierre Niney (27) und die Deutsche Paula Beer (21) – leisten eine herausragende Performance: Niney agiert subtil-dramatisch, unverschämt emotional und Beer dagegen zurückhaltend und fokussiert. Obwohl der Film den Ersten Weltkrieg und die Nachkriegsverluste zum Hauptthema macht, wirkt er tatsächlich sehr aktuell.

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