@ Cannes Film Festival

Die 77. Ausgabe der Internationalen Filmfestspiele von Cannes, die vom 14. bis 25. Mai an der französischen Riviera stattfinden, gab am 11. April ihr Programm bekannt. Das diesjährige Festival verspricht voller Glamour und Stars auf dem roten Teppich zu sein. Fast die Hälfte der Filme wurde auf Englisch gedreht – teilweise sogar die von ausländischen Regisseuren, wie „The Apprentice“ des dänisch-iranischen Regisseurs Ali Abbasi, „The Substance“ der Französin Coralie Fargeat, „Kinds of Kindness“ des Griechen Yorgos Lanthimos, „Limonov“ des russischen Filmemachers Kirill Serebrennikov und „Emilia Perez“ des Franzosen Jacques Audiard. 

Sebastian Stan Stars as Donald Trump in 'The Apprentice' First Look
“The Apprentice” von Ali Abbasi, Courtesy Apprentice Productions / Cannes Film Festival

Die Festivalorganisatoren gaben vor einigen Jahren bekannt, dass sie nun mehr Filmregisseurinnen in den Wettbewerb einladen wollen. Im vergangenen Jahr gewann die Französin Justine Triet die Goldene Palme für den besten Film. Dieses Jahr scheint das Versprechen jedoch unerfüllt zu sein. Im Hauptwettbewerb gibt es nur vier Filme, bei denen Frauen Regie führen. Sie dürften vor allem die Aufmerksamkeit der internationalen Jury auf sich ziehen, die in diesem Jahr von der feministisch geprägten Greta Gerwig geleitet wird, deren „Barbie“ im vergangenen Sommer ein Hit war. Diese Filme sind „Bird“ von der Britin Andrea Arnold, „The Substance“ mit Demi Moore und Margaret Qualley, ein Werk von einer Liebhaberin blutrünstiger Handlungen Fargeat. Besondere Aufmerksamkeit sollte die Debütantin Agathe Riedinger auf sich ziehen, denn sie verfügt über die drei Eigenschaften verfügt, die die Präferenzen der Cannes-Jury beinflussen können: „eine Frau, eine Debütantin und eine Französin.“ Allerdings scheint die Handlung ihres Filmes mit dem Titel „Wild Diamond“ auf den ersten Blick nicht allzu spannend zu sein – es ist die Geschichte eines 19-jährigen Mädchens, das an der französischen Riviera aufwächst und von Popularität träumt. In der Midnight-Sektion des Festivals wird „The Balconettes“ von Noémie Merlant gezeigt, eine feministische Komödie, die in Marseille spielt und von Céline Sciamma mitgeschrieben wurde.

@megalopolisfilm

Zu den am meisten erwarteten Filmen gehört Francis Ford Coppolas 120 Millionen US-Dollar teurer Film „Megalopolis“, an dem er seit 1983 arbeitet. Die Hauptrollen spielen Adam Driver, Dustin Hoffman, Nathalie Emmanuel, Aubrey Plaza und andere. Die Geschichte dreht sich um einen brillanten Architekten, der versucht, das zukünftige New York in ein utopisches Zentrum der Welt zu verwandeln, doch er hat einen Rivalen – den Bürgermeister der Stadt. Coppola behauptet, dass im Mittelpunkt seiner Handlung die Liebesgeschichte eines Mädchens steht, das zwischen ihrem Liebhaber und dem Vater, zwischen Zukunft und Vergangenheit, traditionellen Ansichten über die Gesellschaft und dem Fortschritt hin- und hergerissen ist. Der Film hat noch keinen Verleih gefunden, und der Regisseur investierte sein eigenes Geld in die Produktion. Wir hoffen, dass den Film das gleiche Schicksal erlebt wie „Apocalypse Now“, der mit großen Schwierigkeiten gedreht wurde, im Jahr 1979 in Cannes gezeigt und später zu einem Weltklassiker wurde. 

Da wir gerade über legendäre Filmpersönlichkeiten sprechen, sollten wir auch den neuen Film von Paul Schrader „Oh, Canada“ erwähnen. Fast 40 Jahre nach „American Gigolo“ arbeitet der Regisseur erneut mit Richard Gere zusammen. Im Film spielt auch Uma Thurman mit. Basierend auf dem Roman „Foregone“ von Russell Banks folgt die Story den Strapazen eines amerikanischen Schriftstellers, der nach Kanada flieht, um der Einberufung in den Vietnamkrieg zu entgehen. Ein weiterer Kultregisseur, David Cronenberg, bringt „The Shrouds“ mit Vincent Cassel, Diane Kruger und Guy Pearce zum Festival. Darin spielt Cassel einen traurigen Witwer, der ein innovatives Gerät entwickelte, um Menschen dabei zu helfen, Kontakt zu den Toten aufzunehmen. Das Projekt war ursprünglich für Netflix geplant, doch nachdem der Regisseur zwei Episoden geschrieben hatte, hat er anders entschieden. Cronenberg nennt seinen Film autobiografisch und sehr persönlich. Wir sind gespannt darauf, persönliche Töne in einem Horrorfilm zu entdecken.

Lanthimos Stone At Their Premire In Venice @labiennaledivenezia
Yórgos Lánthimos mit Emma Stone in Venedig, Courtesy La Biennale di Venezia

Noch nicht ganz nach der Ehrung für „Poor Things“ erholt, steht Yorgos Lanthimos bereits mit seinem neuen Film bei der Premiere in Cannes. In „Kind of Kindness“ sehen wir erneut Emma Stone. In diesem Triptychon geht es über einen Mann, der versucht, sein Leben in den Griff zu bekommen, einen Polizisten, dessen Frau verschwindet und zurückkehrt, jedoch in einer unbekannten für ihn Gestalt, sowie um eine Frau, die nach einem spirituellen Führer sucht. Über den Film „Parthenope“ von Paolo Sorrentino wissen wir noch sehr wenig, außer dass Gary Oldman die Hauptrolle übernommen hat und dass „Parthenope“ eine Figur zwischen Sirene und Mythos sei. Trotz dieser spärlichen Informationen freuen wir uns darauf, die bunten Landschaften von Neapel und Capri zu wiedersehen und den neapolitanischen Humor zu erleben.

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“Parthenope“ von Paolo Sorrentino, Courtesy Cannes Film Festival

Drei Filme französischer Regisseure werden in diesem Wettbewerb präsentiert. Gilles Lellouche bringt ein dreistündiges Musical „L’Amour Ouf“ mit, das die tragische Liebesgeschichte eines Mädchens aus einer Mittelklassefamilie und eines Jungen aus der Arbeiterklasse erzählt. Christophe Honoré hat „Marcello Mio“ gedreht, welche das traurige Schicksal der Schauspielerin Chiara Mastroianni beleuchtet, die ihr ganzes Leben im Schatten ihrer berühmten Eltern Marcello Mastroianni und Catherine Deneuve verbringen muss. Der Film „Emilia Perez“ von Audiard, produziert in Mexiko und den USA, mit Selena Gomez und Zoe Saldana in den Hauptrollen, kann kaum als französisch bezeichnet werden. Es handelt sich um eine Geschichte, in der eine Frau versucht, einem flüchtigen mexikanischen Kartellführer bei einer Geschlechtsumwandlungsoperation zu helfen.

In „Anora“ von Sean Baker, mit der Amerikanerin Mikey Madison und den zwei Russen, Yura Borisov und Mark Eidelstein,  geht es über Prostitution in New York und Las Vegas. Einer der am meisten erwarteten Filme ist „The Apprentice“ von Ali Abbasi, der als eine Geschichte über „einen Mentor und seinen Schützling“ angekündigt wird.  Darin geht es um die frühen Jahre von Donald Trumps Geschäftskarriere und seine Beziehung zum New Yorker Staatsanwalt Roy Cohn, der wiederrum mit dem sehr konservativen Senator Joseph McCarthy in Verbindung steht. Das Projekt verspricht eine faszinierende Auseinandersetzung mit Machtdynamiken, Korruption und Betrug.

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“Furiosa: A Mad Max Saga” Screenshot, Warner Bros. Pictures

Es scheint, dass die diesjährige Cannes-Auswahl aufgrund der vergangenen Streiks von Schriftstellern und Schauspielern in Hollywood weniger Studioproduktionen umfasst.  Unter diesen ist George Miller’s fünfter Teil das Franchise „Furiosa: A Mad Max Saga“. Die Welt ist zerstört, die junge Furiosa wird entführt und in die Hände des Biker-Ordens unter der Führung von Dementus übergeben. Während die Tyrannen um die Macht kämpfen, durchläuft das Mädchen zahlreiche Prüfungen, während es versucht, durch das Ödland nach Hause zurückzukehren. Die Ereignisse erstrecken sich über einen Zeitraum von 15 Jahren, was diesen Film stark von seinem Vorgänger „Mad Max: Fury Road“ unterscheidet, der in wenigen Tagen stattfindet.  Miller nennt seinen Film „Odyssee“ und verspricht ein großes Spektakel.

Ein weiteres Epos, „Horizon, an American Sage“, wurde von Kevin Costner gedreht. In Cannes werden zwei Teile davon präsentiert, und beide kommen bereits im Sommer (jeweils in Juni und August) auf den Leinwänden weltweit zu sehen sein. In der offiziellen Beschreibung heißt es, dass der Film die vier Jahre des amerikanischen Bürgerkriegs von 1861 bis 1865 behandelt und dass der Regisseur „die Anziehungskraft des Wilden Westens erforscht und wie der durch das Blut, den Schweiß und die Tränen vieler Menschen geprägt verloren und wiedergefunden wurde“.  Der Film ist Costners vierte Regiearbeit nach „Open Range“, „The Post Man“ und dem Oscar-prämierten „Dances with Wolves“. Es ist bekannt, dass der Regisseur seine eigenen Mittel in die Produktion dieses Epos investieren musste und Gerüchten zufolge beinahe seinen Landbesitz in Santa Barbara verloren hätte.

In anderen Sektionen des Festivals lohnt es sich, den neuen Film von Leos Carax „C’est Pas Moi“ zu erwähnen, ein Selbstporträt des Regisseurs, das sein turbulentes Leben und seine 40-jährige Filmkarriere abdeckt. Nicolas Cage spielt in Lorcan Finnegans Psychothriller „The Surfer“ einen Mann, der aus den USA nach Australien zurückkehrt, nur um vor den Augen seines Teenager-Sohnes von einer Gruppe lokaler Surfer gedemütigt zu werden.

Da der Wettbewerb nur noch aus 19 von der üblichen 21 Filme besteht, dürfen wir auf Programmerweiterungen sowie mit möglichen Überraschungen gespannt sein. Aber auch jetzt schon zeigen diese Filme eine beeindruckende Auswahl.

Das Festival wird mit der Komödie „Second Act“ von Quentin Dupieux eröffnet, in der Léa Seydoux und Vincent Lindon die Hauptrollen spielen. Der Ehrenpalme wird dem „Star-Wars“-Schöpfer George Lucas im Abschluss des Festivals überreicht.

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