Venedig war schon immer für seine Schönheit bekannt, doch es war Graf Giuseppe Volpi di Misurata, der die Stadt mit der Welt des internationalen Kinos verband. In 1932 gründete er das erste europäische Filmfestival hier, das von den Einheimischen “Mostar del Cinema” genannt wurde. Seitdem sind Venedig und das Kino untrennbar miteinander verbunden.
Venedig ist bemerkenswert fotogen. Sonnenauf- und -untergänge über der Lagune verwandeln die Stadt in eine romantische Kulisse, die perfekt filmische Szenen ergänzt. Aber sobald man sich in dem Labyrinth aus engen Gassen verirrt, eine der vielen Brücken überquert und dabei auf das geheimnisvoll glitzernde Wasser blickt, verwandelt sich Venedig in eine düstere futuristische Welt, die direkt aus einem Horrorfilm stammen könnte. Diese Atmosphäre hat Luchino Visconti in seinem Meisterwerk „Tod in Venedig“ (1971), basierend auf dem Roman von Thomas Mann, meisterhaft eingefangen, in dem der sterbende Komponist Gustav von Aschenbach dem betörenden Einfluss eines jungen Italieners erliegt.
117 Inseln, 150 Kanäle und 400 Brücken – eine wunderbare Kulisse für Actionfilme, denn die zahlreichen Labyrinthe der seit Jahrhunderten kaum veränderten Gassen können so manchem Helden vor seinen Verfolgern retten. In den späten 1980er Jahren fanden hier die kultigen Verfolgungsjagden in „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ (1989) statt. In „The Italian Job – Jagd auf Millionen“ (2003) planten Mark Wahlberg und Donald Sutherland hier ihren Coup. Roger Moore flanierte für „Moonraker“ (1979) über den Markusplatz und besuchte die Insel Murano, um den berühmten venezianischen Glasbläsern zuzusehen. Regisseur Martin Campbell „versenkte“ und „sprengte“ während der Dreharbeiten zu „Casino Royale“ (2006) Gebäude entlang des Canal Grande, während Daniel Craig als James Bond mit seiner Leinwandpartnerin Eva Green durch die Stadt spazierte. Schon vor Craig besuchten Sean Connery und Tatiana Romanova Venedig für „From Russia withLove“ (1963).
Graf Volpi unterstützte das Filmfestival nicht ohne Grund, denn ihm gehörte am Lido-Ufer das berühmte Hotel Excelsior, in dem das erste Filmfestival stattfand. Heute beherbergt das Hotel die prominenten Gäste des Festivals, hier werden exklusive Dinner veranstaltet, und während des Festivals eröffnen die Sponsoren hier ihre Salons. Genau in diesem Hotel wurde eine der romantischsten Szenen der Filmgeschichte gedreht – das Date zwischen Noodles (Robert De Niro) und Deborah (Jennifer Connelly) in Sergio Leones „Es war einmal in Amerika“. In diesem Jahr organisierte Leones Tochter Raffaella einen Tag vor der Eröffnung des Festivals eine Party auf dem Dach des historischen Hotels Danieli.
George Clooney, der seit langem ein großer Fan der Filmfestspiele von Venedig ist, kam früher direkt von seiner Villa am Comer See zum Festival. Doch im vergangenen Jahr stellte er die Villa für 100 Millionen Euro zum Verkauf, da seine Frau Amal, die er in Venedig heiratete, lieber im Süden Frankreichs Urlaub macht. Trotzdem wird Clooney auch dieses Jahr in Venedig erwartet. Nächste Woche wird er zusammen mit Brad Pitt im Thriller „Wolves“ über einen Raubüberfall zu sehen sein. Übrigens gehört das Cipriani-Hotel in Venedig zu Clooneys Lieblingsorten, wo auch Tom Hanks und Steven Spielberg gern übernachten. Charlize Theron ist besonders begeistert von den Pastagerichten, die man dort sogar spät abends noch bestellen kann.
Die diesjährigen Filmfestspiele wurden mit der Comedy-Horror-Fortsetzung von Tim Burtons „Beetlejuice“ eröffnet, in dem Michael Keaton erneut die Rolle des exzentrischen Exorzisten spielt. Den ersten Teil drehte Burton bereits 1988. Damals spielte der Film allein in den USA am ersten Wochenende acht Millionen Dollar ein und erzielte schließlich 75 Millionen Dollar, was ihn zu einem der erfolgreichsten Filme des Jahres machte. Im neuen Sequel sind Michael Keaton, Catherine O’Hara und Winona Ryder wieder vereint, wobei Ryder diesmal die Mutter eines schwierigen Teenagers spielt, der von Jenna Ortega verkörpert wird. In einem Gespräch mit Journalisten gestand Tim Burton, dass er von der Filmindustrie schon lange enttäuscht sei und diesen Film für sich selbst gemacht habe. Auf die Frage nach einer möglichen Fortsetzung antwortete er scherzhaft: „Lasst uns nachrechnen! Es hat 35 Jahre gedauert, den zweiten Teil zu drehen, wenn ich mich entscheide, einen dritten Teil zu machen, werde ich über hundert Jahre alt sein. Aber mit den technischen Entwicklungen könnte es vielleicht doch noch klappen.“
Eine weitere Heldin des Eröffnungsabends war die Legende des amerikanischen Kinos, Sigourney Weaver, die den „Goldenen Löwen“ (die höchste Auszeichnung der Filmfestspiele von Venedig) für ihr Lebenswerk erhielt. Im Gespräch mit Journalisten bemerkte die Schauspielerin, dass die Rollen mit zunehmendem Alter immer interessanter werden: „Es scheint, als hätten die Leute in Hollywood endlich erkannt, dass ältere Frauen faszinierende Charaktere sein können, und sie haben begonnen, interessante Rollen für uns zu schreiben. Wir sind nicht länger Ziel von Spott und stereotypen Schwiegermutterbildern, sondern sind echte Menschen geworden.“ Sie gab auch zu, dass sie in schwierigen Momenten ihrer Karriere darüber nachgedacht habe, Floristin, Bäckerin oder Bankkassiererin zu werden – so hätte sie zumindest mit Geld zu tun, selbst wenn sie selbst keines hätte.
Neben Sigourney Weaver und dem „Beetlejuice 2“-Filmteam unter der Leitung von Monica Bellucci, Tim Burton und Willem Dafoe wurden bei der Eröffnung des Festivals auch Cate Blanchett (die die Serie „Disclaimer“ von Alfonso Cuarón vorstellen wird) und die Vorsitzende der internationalen Jury, Isabelle Huppert, gesichtet.
Den Gästen des Filmfestivals stehen 10 Tage voller spannender Premieren, Stars und Ereignisse bevor.