The Phoenician Scheme (2025)

Viele Filmkritiker rieben sich dieses Jahr erneut die Augen: Wes Anderson? Wieder im Wettbewerb von Cannes? Glaubt er wirklich noch an die Möglichkeit einer Palme d’Or – oder hat er sich längst damit abgefunden, dass ihn kaum jemand in diesem Rahmen noch wirklich ernst nimmt?

Andersons Rückkehr ins Zentrum des Festivals provoziert Fragen, die über den einzelnen Film hinausgehen. Sein Kino – mit seinen pastelligen Farbpaletten, symmetrischen Einstellungen, staubtrockenen Dialogen und kunstvoll konstruierten Miniaturwelten – hat seit langem mehr mit Design als mit Dramaturgie zu tun. Für viele ist er der Architekt unter den Regisseuren, ein Ästhet, dessen Figuren wie Schachfiguren in Dioramen auftreten.

The Phoenician Scheme (2025)
Benicio Del Toro und Mia Threapleton in Wes Anderson’s THE PHOENICIAN SCHEME
Credit: Courtesy of TPS Productions / Focus Features © 2025

Der Phönizische Meisterstreich bestätigt dieses Bild von der ersten Minute an: Wieder beginnt alles mit einem Durcheinander – Figuren schreien, reden durcheinander, ihre Stimmen überlagern sich, als wolle man demonstrativ jede klare Aussage verhindern. Worum es eigentlich geht, bleibt unklar. Ist es bedeutungsvoll? Oder nur eine Parodie auf Bedeutung?

Wieder einmal scheint Anderson eine Parodie auf sich selbst zu inszenieren. Seine oft gerühmte Fähigkeit, eine erschlagende Zahl von Stars in einem einzigen Bild zu versammeln und sie in kunstvolle, aber zunehmend leere Dialoge zu verwickeln, ist hier auf die Spitze getrieben. Doch anders als in seinen letzten, überladenen Arbeiten – The French DispatchAsteroid City – wagt Anderson diesmal einen formalen Kurswechsel. Im Zentrum steht nur eine einzige Hauptfigur: Anatole „Zha-Zha“ Korda, verkörpert von einem grotesk aufspielenden Benicio del Toro. Tycoon, Krimineller, Abenteurer, Philanthrop – eine Überfigur, wie gemacht für Andersons artifizielle Welten. Der Phönizische Meisterstreich scheint einen neuen Weg einschlagen zu wollen: eine lineare Erzählstruktur, beinahe klassisch in ihrer Einfachheit. Beinahe.

Der Titel selbst – Phönizisches Schema – ruft Melancholie und eine gewisse historische Verlorenheit hervor. Die Geschichte beginnt mit einem Wunder: Anatole „Zha-Zha“ Korda (in einer grotesk-faszinierenden Performance von Benicio del Toro) überlebt einen Flugzeugabsturz. Zum ersten Mal denkt der kriminelle Tycoon, Abenteurer und Größenwahnsinnige über den Tod nach – in einer Schwarz-Weiß-Vision des Jenseits, die Anderson zur willkommenen Gelegenheit nutzt, einen Reigen von Stars als verstorbene Erscheinungen auftreten zu lassen: Willem Dafoe, Charlotte Gainsbourg, Bill Murray (als Gott!) und viele mehr.

The Phoenician Scheme (2025)
Benicio Del Toro, Credit: Courtesy of TPS Productions / Focus Features © 2025

Doch im Zentrum dieses Films steht eine Vater-Tochter-Geschichte: Korda ernennt seine älteste Tochter Liesl zur Erbin seines Imperiums – mit einem Haken. Liesl, gespielt von Mia Threapleton, der 24-jährigen Tochter von Kate Winslet, hat sich entschieden, Nonne zu werden. Kein Interesse an Geld, Macht oder Intrigen.

Doch Andersons Drehbuch zwingt die beiden auf eine Reise durch Phönizien – in bester Road-Movie-Tradition, um Geschäftspartner zu treffen, Projekte zu diskutieren und, natürlich, einander kennenzulernen. Was sich entwickelt, ist weniger ein Familiendrama als eine zarte Annäherung zweier einander fremder Menschen. Der Vater entdeckt erstmals Mitgefühl, die Tochter unternehmerischen Ehrgeiz. Es ist vielleicht der emotional ehrlichste Moment in Andersons jüngerer Filmografie – eingebettet in seine gewohnte Retro-Ästhetik, seine akribisch gebaute Künstlichkeit und sein Hang zur ironischen Überhöhung. Trotz dieser Linearität bleibt das Fundament brüchig. Die Handlung wirkt ebenso unwahrscheinlich wie die Kulissen perfekt konstruiert sind. Man verlässt das Kino mit dem Gefühl, etwas Schönes gesehen zu haben, aber nicht wirklich berührt worden zu sein.

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Pressekonferenz in Cannes, Photo: Tatiana Rosenstein

Für Wes Anderson fiel die Premiere von Der Phönizische Meisterstreich  mit einer Ehren-Retrospektive in der Pariser Cinémathèque zusammen – ein Ereignis, das fast zu symbolisch ist, um wahr zu sein. Der Regisseur selbst wurde zum Museumsstück. Erstmals erscheint der perfektionistische Bilderbauer nicht als alternder Junge, der versucht, seinen Infantilismus zu überwinden, sondern als vollendeter, reifer Klassiker. Ein Künstler, der sich selbst kuratiert – im Kino und im Leben.

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Roman Coppola, Wes Anderson und Alexandre Desplat in Cannes
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