2012 präsentierte Vinterberg in Cannes erneut ein Werk, „Die Jagd“, welches zu seinen ursprünglichen Themen wie Missbrauch, Menschen und ihre Rechtschaffenheit zurückkehrt. Er beschreibt die Hetzjagd auf einen Mann, der des Kindesmissbrauchs verdächtigt wird. Anders als der Protagonist in „Das Fest“ ist die Person unschuldig und wird vom Leben ungerecht behandelt.

1998 erhielt der Däne Thomas Vinterberg die Goldene Palme für seinen Film „Das Fest“, in dem es um Kindermissbrauch und seine Folgen ging. Drei Jahre zuvor gründete er mit Kollegen wie z.B. Lars von Trier die „Dogma 95“-Bewegung, die gegen zunehmende Blockbuster-Trends wie VFX-Effekte, Attraktion und Wirklichkeitsentfremdung und für Auteur-Filme plädierten.

Der Lehrer Lucas (Mads Mikkelsen) hat seinen Job verloren, weil die Schule geschlossen wurde. Seine Frau hat ihn verlassen und sieht es ungerne, wenn ihr gemeinsamer Sohn viel Zeit mit dem Vater verbringt, auch wenn dies dem Wunsch des Sohnes entspricht. Lucas findet einen Arbeitsplatz als Kindererzieher und versucht gerade die Krise zu bewältigen, als bereits neue Ereignisse auf ihn warten. Die Tochter seines besten Freundes, die kleine Klara, hegt eine kindliche Zuneigung für ihren Erzieher und küsst ihn eines Tages mit ihren süßen fünf Jahren auf den Mund. Lucas erklärt ihr, dass solche Dinge nur „unter Erwachsenen passieren“ und enttäuscht sie damit.

In ihrem ersten Liebeskummer zeigt sich das Mädchen bereits als eine rachesüchtige Person und lässt beim Gespräch mit der Kindergartenleiterin Worte wie „Schwanz“ und „hart“ fallen. Aus winzig kleinen Lügen wächst ein Ereignis, das, befeuert durch die Langeweile der Gemeinde das Leben einer Person ruiniert. Nachbarn, Kollegen, Einwohner vereinen sich, um den armen Unschuldigen zu jagen. Ähnlich wie bei in dieser Gegend betriebenen (Hirsch-)Jagd, kommt es auch bei ehemaligen Freunden noch zu einem wahren Blutrausch, der sich hinter pathetischen Aussagen wie „Wohl des Kindes“ verbirgt.

In der Hauptrolle brilliert der Star – leider immer noch nur des europäischen Kinos – Mads Mikkelsen, der überzeugend den gejagten Außenseiter darstellt. Man verlässt das Kino mit einem Gefühl der Wut und Hilfslosigkeit gegenüber der blinden und leicht beeinflussbaren Menschenmenge sowie mit Frust darüber, dass auch die besten Vertreter der Menschheit von Ungerechtigkeit nicht verschont bleiben – wohl die Gefühle, die uns weg von märchenhaften Hollywood-Produktionen zurück in die rohe Wirklichkeit, so der Wunsch der Dogma-Bewegung – bringen sollten.

Im Hintergrund der Geschehnisse zeigt Vinterberg romantisch-schöne Landschaften, die unseren kleinen Menschenkummer mit Gleichgültigkeit begrüßt. Der Schluss bleibt offen und lässt uns über die Fragen philosophieren, auf die wohl jeder seine eigenen Antworten finden muss.

Die Jagd

Im Kino: 28. März 2013
Dänemark 2012
Regie: Thomas Vinterberg
Mit: Mads Mikkelsen, Thomas BoLarsen, Annika Wedderkopp
Länge: 120 Min.

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