Die junge Adèle (Adèle Exarchopoulos) hat klare Vorstellungen von ihrer Zukunft: Nach dem Schulabschluss möchte sie Lehrerin werden, weil der Beruf und die feste Einstellung ihr – einem Mädchen aus einfachen Verhältnissen – sicher scheinen und weil auch ihre Eltern ähnlich denken. Eines Tages trifft sie auf der Straße ein mysteriöses Wesen mit blauen Haaren (Léa Seydoux). Adèle ist fasziniert und die Gestalt lässt sie nicht mehr in Ruhe. Kurz vor ihrem 18. Geburtstag trifft sie die blauhaarige Frau wieder, die sich als Kunststudentin namens Emma entpuppt und die Frauen gernhat.

Bis dahin hatte Adèle nicht viel sexuelle Erfahrung gemacht. Sie schlief mit einem gutaussehenden Jungen (Jérémy Laheurte), aber Erfüllung fand sie darin nicht. In der leidenschaftlichen, sich schnell entwickelnden Affäre mit Emma findet sie alles auf einmal: Erfüllung, Liebe, Verständnis und auch neue Lebensansichten.

Während Adèle ihre Leidenschaft vor den Eltern und Freunden versteckt, macht Emma die neue Liebe zu ihrer Muse und stellt sie gerne ihren Freunden vor. Die berufstätige Erzieherin Adèle fühlt sich geschmeichelt, aber allmählich immer unwohler im Kreis der bildungsbürgerlichen Oberschicht. Bei einer Party trifft Emma eine ihrer Freundin. Es entspannt sich ein längeres Gespräch. Für eifersüchtige Adèle ist das Grund genug, sich in die Arme eines beliebigen Mannes zu werfen. Ein schwerer Fehler, wie sie später feststellt und für welchen sie mit dem Verlust ihrer Liebe zahlt.

Der französische Regisseur Abdellatif Kechiche („Couscous mit Fisch“) hegte seit langen die Idee, die Geschichte über eine Lehrerin zu verfilmen, die leidenschaftlich ihrem Beruf nachgeht und ein Doppelleben führt. Eines Tages stieß er auf die grafische Novelle „Le Bleu est une couleur chaude“ von Julie Maroh. Bei Maroh ging es um die Liebe zwischen zwei Frauen. Spätestens jetzt fand Kechiche etwas, was ein Geheimnis seiner Protagonistin ausmachen konnte. Zur Hauptattraktion der dreistündigen Darstellung gehören nicht unbedingt die expliziten Sexszenen, wobei auch diese für viele Diskussionen sorgten und mehrere Zuschauer, vor allem männliches Geschlechts, während der Vorstellung aus dem Kino vertrieben, als der Film in Cannes uraufgeführt wurde.

Die überragende Schauspielleistung von Adèle Exarchopoulos und Léa Seydoux lässt die filmische Zeit schnell verstreichen, während die Dramatik der Emotionen vergessen lässt, wer wen hier eigentlich liebt. Es geht eben nur um die Liebe, die man als wahre menschliche Errungenschaft bewundert und die einem tief ins Herz geht. Nicht oft gab es in der Filmgeschichte eine solch berührende und realistische Darstellung der vielbeschworenen Liebe auf den ersten Blick, die das Leben verändern kann. Umso schmerzlicher erlebt man den Abschied und trauert dem Gefühl nach.

Im Übrigen betont der Regisseur, kein Statement zum in Frankreich heißdiskutierten Thema der gleichgeschlechtlichen Ehe abgeben zu wollen, sondern allein die Schönheit der Emotionen zu zeigen, die wohl in dieser Furchtlosigkeit der sexuellen Offenbarungen eben nicht in Hollywood, sondern nur im europäischen Nachbarland als möglich scheint.

Blau ist eine warme Farbe

im Kino: Start: 19. Dezember 2012
Regie: Abdellatif Kechiche
Mit: Léa Seydoux, Adèle Exarchopoulos, Salim Kechiouche
Länge: 177 Min

×