Ich weiß nicht wie das bei Euch war, liebe Leserinnen und Leser, aber als ich noch ein Kind war, schaute ich mit großer Leidenschaft die TV-Serie „Angélique“. Ich war in Michèle Mercier, die Angélique verkörperte, verliebt: In ihre rebellische und gleichzeitig verführerische Art und in ihren starken Willen. Genau wie sie, wollte ich selbst entscheiden über das „Was, Wo, Wann, mit Wem“. So geht es auch dem französischen Regisseur tunesischer Abstammung Ariel Zeitoun, der neulich einen neuen Literaturklassiker verfilmte. Der Regisseur gesteht, dass eine Romanvorlage immer auch ein Betrug sei. Denn zuerst arbeitet man eng mit dem Autor zusammen, vorausgesetzt, dass dieser noch lebt, wie es bei der 91-jährigen Anne Golonvon „Angélique“ der Fall ist. Aber „von dem Moment, als man herausgefunden hat, wie die Geschichte strukturiert wird, hört man auf, sich zu beraten. „Am Ende war Angélique (genauso wie viele der anderen Charaktere) nicht genau dieselbe, aber auch nicht völlig anders“, verrät er weiterhin.

Michèle Mercier, die Angélique verkörperte…

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Für wen bitte, Herr Zeitoun? Sie haben meine Kinderträume zerstört! Meine Angelique war eine wahre Gräfin. Sie hatte wunderschöne lange Haare (ein Zeichen der Noblesse im 17. Jahrhundert), war wählerisch und graziös. Ihre Protagonistin schneidet sich das blonde Haar kurz und färbt es schwarz. Nichts mehr bleibt übrig von Angélique Sancé de Monteloup“, entstanden ist ein Weib aus „Cour de Miracles“. Meine Angélique verliebte sich in einen 30jährigen Mann, aber in keinen Großvater, wie bei Ihnen, der wohl im Anklang Ihrer eigenen Vorstellungen anstelle von Joffrey de Peyrac auftritt. Sind Sie auch ihren eigenen Vorstellungen gefolgt, als sie ihre Angélique in einer ausgedehnten Sex-Szene mit diesem längst verwelkten Adonis treiben? Da lässt sich nicht mal Lars von Trier grüßen! Für seine „Nymphomanin“ hat er gnädigerweise knackige Porno-Darsteller jungen und mittleren Alters ausgewählt. Wozu hat die ganze Emanzipation gedient, wenn eine Frau nun auf der großen Leinwand diese eklige Sex-Szene ansehen muss? Wir Frauen haben uns längst das Recht erworben, gleichberechtigte Liebschaften mit Altersgenossen zu haben, und uns sogar viel jüngere Ehemänner und Liebhaber zu nehmen (Danke Madonna, Mariah, JLo!).

Quelle: http://img.filmsactu.net/datas/films/a/n/angelique/xl/angelique-affiche-5209fd7c3623d.jpg

Nora Arnezeder, die die Angélique spielt, meint, mit einem viel zu alten Mann sähen die Filmszenen weniger konventionell aus. Aber mal ehrlich! Wer sucht Realität oder Alltag im Kino? Ich will Konventionen sehen und schöne Männer! Wenn ich Giuliano Gemma als Nicolas im alten Film anschau, verstehe ich, warum Angélique ihre Unschuld mit ihm verlieren will. Bei Mathieu Kassovit verstehe ich das nicht! Und auch Jean Rochefort als Advokat Desgrez würde ich mehr vertrauen. Kostümfilme sind für mich ohnehin sehenswert, wenn sie schöne Märchen erzählen.

Zum Schluss kommt noch die Autorin zu Sprache. In einem Interview gesteht sie, dass ihr die Adaptionen von Bernard Borderie aus den sechziger Jahren ihr nie am Herzen lagen. Wahrscheinlich hat Borderie nie um ihre Meinung gebeten. Sie mochte die Szene nicht, als der Drehbuchautor ihre Heldin „als kleine Nutte, die mit jedem Mann etwas anfangen will“, bezeichnete. War sie wirklich eine? Die „Nutte“ lässt sich doch nicht von einem Sultan fast zu Tode auspeitschen und unterwirft sich ihm trotzdem nicht!

Bestimmt wird auch die neue „Angélique“ Fans gewinnen, vor allem unter diejenigen, die nie den Film mit Michèle Mercier gesehen haben. Ich bleibe bei der alten Version. Und euch, liebe Filmemacher, möchte ich bitten, beispielsweise das Buch „Le Bonheur des Dames“ von Émile Zola zu verfilmen, das seit 1930 auf die Aktualisierung warten. Und bitte konventionell!

ANGÉLIQUE

Kinostart: 12.Juni 2014
Frankreich, Belgien u.a. 2013
Regie: Ariel Zeitoun
Mit: Nora Arnezeder, Gérard Lanvin, Tomer Sisley, Mathieu Kassovitz, Simon Abkarian
Länge: 113 Min.

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