2015 erobert Leonardo DiCaprio als Fallensteller und Pelzhändler Hugh Glass in „The Revenant“ vom mexikanischen Regisseur Alejandro G. Iñárritu die Wildnis.

Schwer und lang ist der Weg zum ersehnten Oscar. Bei Martin Scorsese musste Leonardo DiCaprio in seinen Paraderollen als psychisch gestörter US-Marschall halluzinieren („Shutter Island“, 2010) oder als drogenbeladener Börsenmakler seiner Seele verkaufen („The Wolf of Wall Street“, 2013).

„The Revenant“ ist eine wahre Geschichte, die erzählt, wie ein Mann unter Tausenden auf einer kommerziellen Expedition im 19. Jahrhundert sogar einen eigentlich tödlichen Angriff durch einen Grizzlybären überlebt. Die Story machte damals schon Schlagzeilen und ist mittlerweile fester Bestandteil der amerikanischen Geschichte. Leonardo DiCaprio als Hugh Glass kämpft, schreit, fällt, kriecht, und zeigt sein Gesicht, das mittlerweile auch schon von falten durchzogen ist auch in einem ungünstigen Winkel.

Fünf Mal war DiCaprio bisher für den Oscar nominiert, und nach diesem Film stellt man sich atemlos die Frage, ob er es schaffen wird, den Preis 2016 zu gewinnen.

Zweieinhalb Stunden dürfen wir graue Landschaften, Schneematsch und verschwitzte kämpfende Männer beobachten. Ein Bild geht mir immer noch nicht aus dem Sinn: Hugh Glass wird von Franzosen verfolgt. Sein gestohlenes Pferd stürzt mit ihm im Sattel von einem steilen Felsen. Das Tier stirbt sofort. Der Reiter bleibt am Leben. Doch um in dieser brutalen Welt zu überleben muss er noch weiter gehen als an seine Grenzen. Nach dem Sturz schafft er es noch, den Bauch des toten Tiers aufzuschneiden, die Innereien herauszuholen und in die Leiche zu kriechen, um nicht zu erfrieren und dort zu schlafen. Hier verblassen selbst die Bilder des Bärenkampfs. Weitere Brutalitäten folgen. Weil der Gott in dieser Welt bloß „ein fettes Eichhörnchen, gut zum Töten und aufzufressen“ sei.

landschaften

Was macht den Menschen aus, wenn man diesen komplett ausraubt oder wenn er nichts zu verlieren hat? Gerade dann – so der Film – zeigen manche Menschen, wozu sie wirklich fähig sind, dass sie auch unter extremen Bedingungen die großen Gefühle wie Ehre oder Liebe nicht vergessen. Der vom Bären zugerichtete Glass kämpft sich durch die Wildnis zurück in die Zivilisation. Zuerst will er die Rechnung mit seinem alten Kumpel begleichen, aber zum Schluss findet er den Weg zu sich selbst und so wird seine „Rückkehr“ (Revenant) nicht nur zum physischen Kampf, sondern zu seiner spirituellen Reise.

Fünf Jahre arbeitete Iñárritus an diesem Projekt – in einer für ihm ungewöhnlichen Gattung – seinem ersten historischen Epos, der frei auf Michael Punkes Roman „Der Totgeglaubte“ basiert. Extreme Bedingungen und unberührte Landschaften findet er in der kanadischen Wildnis sowie in Argentinien. Was Leonardo DiCaprio angeht, hier geht er weiter als an seine Grenzen. Ich hätte ihm den Oscar schon für die Rolle von Jordan Belfort gegeben. Nicht für Jay Gatsby. Ein wahrer Gatsby bleibt immer noch Robert Redfort – sanft, tiefgründig, ernsthaft romantisch, nicht karikaturistisch wie der schicke DiCaprio.

@ Twenty Century Fox
@ Twenty Century Fox

Man weiß jedoch bis heute nicht, ob am Oscar-Unglück von DiCaprio die ewige Ungnade von Scorsese schuld ist, die Leo noch weitere Jahre auf den ersehnten Oscar warten lässt. Man sieht wieder mal, dass die amerikanischen Academy Awards bloß ein Glückslos sind, eine diplomatische Aktion einer in sich geschlossenen Filmindustrie. Vielleicht sollte man endlich einen Konkurrenzpreis erschaffen, einen europäischen Oscar, für den Leonardo DiCaprio als erster Kandidat sicher seine Nominierung für „Revenant“ erhält.

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